09/06/2022

Hop oder Top Aktivstall

Wir möchten dir in diesem Beitrag das Aktivstall-Konzept vorstellen. Welche Vor- und vielleicht auch Nachteile hat diese Haltungsform und für welche Pferde ist sie geeignet?

Hop oder Top Aktivstall

Foto: Shutterstock

Definition Aktivstall

„Der Aktivstall ist ein Offenstall – Haltungskonzept, welches 2000/2001 maßgeblich von der Firma HIT entwickelt wurde. Es bezeichnet einen Offenstall, in dem die Pferde in einer Herde zusammenleben und in dem die Fütterung automatisch über computergesteuerte Futterstationen realisiert wird.“ (Quelle: offenstalkonzepte.com/aktivstall)

Inzwischen gibt es einige Firmen, die Aktivställe konzipieren, genauso wie es natürlich viele selbst entworfene Anlagen gibt.

Die Pferde können sich 24 Stunden frei in der Herde bewegen. Es gibt verschiedene Bereiche, die alle möglichst weit voneinander entfernt sind (Schlafbereich, Sandplatz zum Wälzen/Dösen, Fressbereich für die Heufütterung, Wasser, Kraftfutterstation, …). Sinn und Zweck ist es, die Pferde zur Bewegung zu animieren, da sie – um ihre Bedürfnisse decken zu können – von einem Bereich in den anderen wechseln müssen. Das Ziel liegt also darin, dass sich die Pferde mehr bewegen, als sie es in herkömmlichen Offenställen oder bei reiner Weidehaltung tun.

Das Konzept ist also am natürlichen Verhalten der Pferde in freier Wildbahn, nämlich der langsamen, kontinuierlichen Fortbewegung sowie Aufnahme kleiner Mengen an Futter über den ganzen Tag verteilt, orientiert. Somit erfüllt die Haltung im Aktivstall viele Anforderungen an ein artgerechtes Pferdeleben. 

Fütterung im Aktivstall

Es gibt verschiedene Konzepte der Raufuttergabe im Aktivstall. Man unterscheidet im Groben zwischen zeitgesteuerten Gruppen-Raufen, die sich zu bestimmten Zeiten öffnen und schließen und an denen die ganze Herde gleichzeitig Platz findet, und zwischen Heu-Ständern, in die nur jeweils ein Pferd hineinpasst und in denen die Pferde je nach Bedarf gefüttert werden können.

Die Pferde haben einen Chip in die Mähne eingeflochten oder tragen diesen um den Hals oder am Bein. Mit diesem Chip haben sie Zugang zu Heu- und Kraftfutterstationen. Die Heu- bzw. Kraftfuttermenge kann für jedes Pferd individuell auf dem Chip hinterlegt werden.

In Ställen mit Gruppen-Heuraufen fressen die Pferde alle gemeinsam an der Gruppen-Raufe, die sich z.B. alle zwei Stunden für 20 Minuten öffnet. Es gibt in der Regel dennoch eine Einzel-Heu-Station, in der schwerfuttrige Pferde oder solche mit höherem Bedarf zugefüttert werden können. Die Heu-Menge bzw. Zeit, in der sich das Pferd im Heuständer aufhalten darf, wird auf dem Chip programmiert.

Unterschied zur herkömmlichen Offenstall-Haltung

Der elementare Unterschied zu klassischen Offenställen ist das Fütterungsmanagement. Wo es in vielen Offenställen Heu ad libitum gibt, was leider viele Pferde aufgrund ihrer guten Futterverwertung nicht vertragen und infolge dessen zu dick werden, wird im Aktivstall die Heumenge rationiert und die Pferde durch zeitgesteuerte Futterraufen dazu animiert, die Heustation zwischendurch zu verlassen und in andere Bereiche des Stalls zu pendeln.

Vor- und Nachteile von Aktivställen im Vergleich zu herkömmlichen Offenställen

Vorteile:

> Die Pferde bewegen sich mehr, stehen nicht nur an der Heuraufe und können somit ihrem natürlichen Bewegungsdrang nachgehen

> Gerade bei leichtfuttrigen Rassen ist ein besseres Gewichtsmanagement möglich durch Rationierung des Raufutters

> Meist ist ein Teil des Bodens befestigt, somit stehen die Pferde nicht im Matsch

> Bei Verwendung von ausschließlich Einzel-Heudosierern können die Pferde in Ruhe fressen, ohne von einem ranghöheren Tier vertrieben zu werden

> Bei Pferden mit Erkrankungen wie beispielsweise Arthrose kann häufig eine Besserung der Beschwerden beobachtet werden

Nachteile:

> Die rationierte Heufütterung stellt eine potentielle Stress-Quelle dar:

> Kurze Fress-Intervalle führen zu hastigem Fressen → Probleme wie Koliken, Schlundverstopfungen, unzureichendes Kauen und Einspeicheln des Futters können die Folge sein

> Ranghohe Tiere blockieren den Zugang zu Einzel-Heu-Raufen → Rangniedere Tiere verpassen ihre Fütterungszeiten

> Beeinflussung des Tagesrhythmus der Tiere durch die zeitgesteuerte Fütterung - bei Bewegung durch den Menschen kann das Pferd unter Umständen eine wertvolle Fütterungszeit verpassen

> Stehen ausschließlich Gruppen-Raufen zur Verfügung, ist es schwierig die Intervalle so einzustellen, dass alle Pferde ideal versorgt sind. Es wird meist so sein, dass es Pferde in der Herde gibt, die zu viel Heu erwischen und andere, die zu wenig bekommen

> Bei Verwendung von ausschließlich Einzel-Heudosierern findet kein gemeinsames Fressen in der Herdestatt, was aber arttypisch wäre

> Eigenes Kraft-bzw. Krippenfutter kann in der Regel nicht über den Kraftfutterautomaten gegeben werden

Meine persönliche Erfahrung im Aktivstall

Meine Stute stand selbst eine Zeit lang in einem Aktivstall. Wir konnten also schon einige persönliche Erfahrungen sammeln. Meiner Erfahrung nach werden – wie häufig auch in anderen (Offen-)ställen zu beobachten – teilweise zu viele Pferde auf zu engem Raum gehalten bzw. zu wenig Fressplätze für die Anzahl der Pferde angeboten.

Zudem spielt es eine große Rolle, wie häufig und lang die Heuraufen geöffnet werden. Meiner Erfahrung nach kann eine zu eng getaktete Zeitsteuerung mit zu kurzen Fressintervallen ebenfalls Stress verursachen und zu Futterneid führen. Dies ist natürlich immer abhängig vom Betreiber und kann nicht pauschal für jeden Aktivstall gesagt werden. Es lohnt sich auf alle Fälle hier genau hinzusehen und die Fütterung zu hinterfragen.

Wenn du weißt, wie viel Zeit dein Pferd pro Tag zur Verfügung hat zum Heu fressen, kannst du dir ungefähr ausrechnen, wie viel Heu es aufnimmt. Die meisten Pferde fressen in 40 Minuten etwa 1 kg Heu, wenn dieses lose (ohne Netz) gegeben wird.

Positiv würde ich auf alle Fälle den Bewegungsanreiz und die Haltung in der Gruppe bewerten!

Fazit

Aktivställe können für manche Pferde von Vorteil sein, wenn diese beispielsweise in klassischen Offenställen zu viel Raufutter aufnehmen würden. Es muss aber immer bedacht werden, dass eine Zeitsteuerung der Raufutter-Gabe einen gewissen Stress mit sich bringt und in den natürlichen Tagesrhythmus der Pferde eingreift. Dies passiert natürlich auch bei Boxenhaltung, wenn die Pferde 3x pro Tag Raufutter gefüttert bekommen. Allerdings müssen sich die Pferde dort ihr Raufutter in der Regel nicht mit anderen Pferden teilen.

Zu häufige Intervalle können Unruhe verursachen, da die Pferde immer in einer gewissen Erwartungshaltung sind, wann sich die Heuraufe das nächste Mal öffnet. Auch haben ragniedere Tiere mitunter Probleme, sofort einen Platz an der Raufe zu finden und verpassen somit einen Teil der Heu-Fütterung.

Bei Ställen, die ausschließlich mit Einzel-Heudosierern funktionieren, ist dieses Problem vermutlich geringer. Allerdings ist es hier auch so, dass die ranghohen Tiere Heuständer blockieren können bzw. die rangniederen beim „Anstehen“ vertreiben.

Es muss also gut beobachtet werden, ob die Vorteile wie besseres Gewichtsmanagement und mehr Bewegung der Pferde im Verhältnis zu den Nachteilen überwiegen.

Abschließend ist zu sagen, dass es – wie immer – natürlich auf das individuelle Haltungs- und Fütterungsmanagement des jeweiligen Stalls ankommt. Es gibt sicher sehr positive Beispiele, die gut funktionieren und eben Beispiele, in denen die Pferde viel Stress durch die Zeitsteuerung haben.

 

Bist du unsicher, ob die Haltung und Fütterung im Aktivstall für dein Pferd geeignet ist?

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